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Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG
Auction 267  29-30 September 2015
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Lot 3464

Estimate: 1500 EUR
Price realized: 1600 EUR
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DIE LINIE BRANDENBURG-BAYREUTH
MARKGRAF CHRISTIAN, 1603-1655
Talermünzen des Markgrafen Christian

1/4 Reichstaler 1624, Kulmbach. 7,12 g. Münzmeister Hans David Emmert. Slg. Wilm. -.
Von größter Seltenheit. Schöne Patina, kl. Henkelspur, sehr schön-vorzüglich
In den Jahren zwischen 1618 und 1623 erfuhr die in den deutschen Landen latente, seit dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts einsetzende allgemeine Verschlechterung und Vermehrung des Kleingeldes ihren dramatischen Höhepunkt. Diese Phase ist als Kipper- und Wipperzeit in die Geschichtsbücher eingegangen. Die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geschaffenen Reichs- und Kreismünzordnungen hatten nicht verhindern können, dass immer mehr Münzstätten zu einer vermehrten Ausbringung von Kleinmünzen übergegangen waren und man ihren Realwert stetig verringerte durch Minderung des Gewichts oder Feingehalts ihrer Emissionen. Als einer der ursächlichen Faktoren des Verfalls ist zweifelsohne das Steigen des Silberpreises infolge der stark rückläufigen bergbaulichen Silbererzeugung im Reich sowie des Wachstums von Handel und Verkehr mit der daraus resultierenden Zunahme des Geldbedarfs anzuführen. Dadurch kamen auf diejenigen Münzstände, die keine eigenen Bergwerke besaßen, höhere Kosten zu. Da sich der in der Reichsmünzordnung angesetzte Fuß der Kleinmünzen sich bald aufgrund der steigenden Preisentwickung für Silber als kaum profitabel für den Münzherrn respektive seinen Münzmeister erwies, ging man in Allgemeinen bereits seit dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entgegen der Vorschriften zu einer sukzessiven Verschlechterung des Kleingeldes über. Zugleich stieg die Bewertung der guten groben Sorten proportional mit dem Grad der Verschlechterung der Kleinmünzen an. Rechnete man in Süddeutschland den Reichstaler 1568 noch mit 68 Kreuzern, so galt er im Jahre 1610 bereits 84 Kreuzer. Anno 1619 stand er bei mehr als 120, im Juli 1621 bei 195 Kreuzern, um im Februar und März nach einem Augsburger Tarif mit 600 Kreuzern bewertet zu werden. Die sich an der Münzverschlechterung beteiligenden Münzherren betrieben ihre Kippermünzstätten entweder im Eigenverlag mit angestellten Münzmeistern oder sie verpachteten sie an Unternehmer, die entweder allein oder zusammen mit Geschäftspartnern eigenverantwortlich handelten und wöchentlich einen vertraglich vereinbarten Schlagschatz an den Münzherrn abzuführen hatten. Häufig überstieg die festgelegte Abgabe den erwirtschafteten Profit des Münzunternehmers. Wenn er den finanziellen Forderungen nicht nachkommen konnte, suchte er mitunter sein Heil in der Flucht, um vielleicht sodann an einer anderen Münzstätte sein unternehmerisches Glück auf die Probe zu stellen. Zwecks Materialbeschaffung arbeiteten die Münzstätten mit Aufwechslern, Agenten und Spekulanten zusammen, die das noch im Umlauf befindliche, immer mehr schwindende bessere Silbergeld aufkauften, voran die guthaltigen, nach der Reichsmünzordnung geprägten ganzen halben und viertel Reichstaler, aber auch ältere guthaltige Kleinmünzen und dafür unter Gewährung eines scheinbaren, nur rechnerischen Überpreises den Zahlungsempfänger mit schlechtem Kleingeld betrogen. Das Treiben der Aufkäufer beförderte die weitere Erhöhung des Silberpreises. Am Ende der Kipperzeit hatte das silberne Kleingeld einen verschwindenden Anteil aus Edelmetall, der durch Weißsieden auf der Oberfläche der Münzen einen hauchdünnen sichtbaren Überzug bildete. Dieser nutzte im Geldverkehr rasch ab und verschwand bald ganz. Die Prüfung und Aussonderung der besseren Münzen erfolgte durch Auswiegen (Kippen und Wippen) mittels einer gleicharmigen Feinwaage.

Die meisten markgräflich-brandenburgischen Kippermünzstätten dürften in technischer Hinsicht gut ausgestattet gewesen sein, was einerseits aus archivalischen Nachrichten und andererseits anhand technischer Merkmale der überlieferten Münzen abzuleiten ist. Walzenprägewerke, deren beide Walzen die Vorderseitenbilder respektive die Rückseitenstempel des zu prägenden Münztyps stempelhaft und spiegelbildlich fest eingetieft tragen, sind in den beiden markgräflich-fränkischen Fürstentümern ebenso vertreten wie die erst gegen 1600 entwickelten Taschenwerke, die mit Walzen versehen sind, in die pilzförmig eingeschnittene Prägestempel eingesetzt werden konnten, die leicht ausgetauscht werden konnten, im Falle einer Beschädigung der Prägeflächen oder bei einem Wechsel der Motive oder Nominale der zu prägenden Münzen. Beide Arten von Apparaturen setzen zudem die Existenz von Streckwerken voraus, mit denen lange Zaine von gleichmäßiger Stärke hergestellt werden konnten. Walzenpräge- und Taschenprägewerke ermöglichten dem Münzpersonal eine gegenüber der Hammerprägung vielfach höhere Produktivität bei der Münzenproduktion sowie eine sauberere und technisch bessere Prägequalität. Zu den meisten markgräflich-fränkischen Prägestätten der Kipperzeit existieren urkundliche Belege, die die Anlage der Prägestätten in oder bei Wassermühlen bezeugen. Mittels Wasserkraft konnte der mechanisierte Münzbetrieb noch erheblich effizientere Ergebnisse liefern. Hingegen liegen nur wenige Exemplare in dieser Sammlung vor, allesamt aus markgräflich-bayreuthischen Münzstätten, die in der althergebrachten Technik des Hammerschlags geprägt worden sind: aus der Münzstätte Baiersdorf siehe Nr. 3465 mit Stempelstellung 11, Nr. 3466 mit Stempelstellung 1, aus Creußen/Baiersdorf Nr. 3492 mit Stempelstellung 7, aus Neustadt am Kulm Nr. 3536 mit Stempelstellung 5.

In den beiden Markgrafschaften Bayreuth und Ansbach wurde Kippergeld in großem Umfang produziert. In der Markgrafschaft Bayreuth erfolgte dies seit Mai 1620, in der Markgrafschaft Ansbach seit Frühjahr 1621. Die Schließung aller Kippermünzstätten wurde auf Weisung der Markgrafen im September 1622 vorgenommen. In den markgräflich-brandenburgischen Landen existierten nicht weniger als 19 Münzstätten, die Kippergeld fabrizierten. Die Münzen tragen zunächst das Wappen, später auch das Bildnis des Münzherrn. Die Namen der Prägeorte erscheinen im Gepräge indes nicht. Vielmehr begegnen auf den Münzen Zeichen oder Signaturen der Münzmeister, Stempelschneider oder vielleicht auch Symbole, die als Emissionszeichen dienten. Nach den Vorschriften der Reichsmünzordnung mussten die Zeichen der Verantwortlichen des Prägebetriebs auf den Geprägen vorhanden sein. Die Münzmeister wechselten ihre Zeichen im Laufe der Kipperzeit, oft beim Wechsel ihrer Stelle, was wohl zur Verschleierung ihrer Machenschaften dienen sollte. Dies erschwert mitunter auch die Zuweisung der markgräflich-brandenburgischen Münzen an die jeweiligen Prägestätten. Wir folgen im Wesentlichen der diesbezüglichen Ergebnisse der umfangreichen Dissertation von Gerhard Schön.

Aufgrund der allgemeinen Verhältnisse gründete 1620 Markgraf Christian in Bayreuth eine Kippermünzstätte. 1621 wurden entsprechende Einrichtungen in Hof, Kulmbach, Erlangen und Wunsiedel in Betrieb genommen. 1622 folgten Prägestätten in Weißenstadt, Neustadt am Kulm, Creußen, Pegnitz, die Genehmigung für Neustadt an der Aisch, sowie die Produktion von Kippergeld in Baiersdorf, Dachsbach, Schauenstein und Rehau. Ein wichtiges und aussagekräftiges Dokument für die Kippermünzstätten im Fürstentum Bayreuth ist das Kulmbacher Schlagschatzbuch, erstellt nach einem 1623 abgeschlossenen Bericht des markgräflichen Beamten Hans Georg Hennigk, der die aus dem Betrieb aller markgräflicher-bayreuthischen Kippermünzstätten gezogenen Einnahmen und die daraus getätigten Ausgaben verbucht.



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