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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 757

Estimate: 125 EUR
Price realized: 300 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 8. Jahrhunderts.
Scholastikios. Zweiseitiges Siegel ø 35mm (26,75g). Ca. 741 - 743 n. Chr. Vs.: Kreuzmonogramm für ΘEOTOKE BOHΘEI; in den Winkeln TW - ΔOV-ΛW - COV. Rs.: Kreuzmonogramm für ΠΡΑΙΠOCITW; in den Winkeln ΛΟ-ΓΟ-ΘΕ-ΤΗ; Umschrift: TWN BACIΛIKWN AΓΕΛWN S TOV ΔΡΟΜ.
RR! Gelbbraune Patina, fast vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser; ex Papillon Auktion 8, 2021, Los 1063.
Theotoke boethei to dulo su - Scholastikio kubikulario / praiposito - logothete ton basilikon agelon kai tu dromu; Muttergottes hilf deinem Diener Scholastikios(, dem) Kubikularios / Praipositos, Logothetes der kaiserlichen Agelai und des Dromos; - die Erscheinungsform des Siegels, Größe, linsenförmige Schrötlinge und der Psalmenringsiegel-Stil, weist es etwa in die Zeit des Kaisers Leon III., 717-741.
Das Revers-Monogramm, im Dativ, bestehend aus A, Π, P, C, T und W sowie vielleicht noch Γ, I, Λ und/oder O, kann man prinzipiell lesen als Rang ΠPAIΠOCITW oder als Stellung ΠPWTOCTPATOPI. Wäre protostratori, (dem) Erzrittmeister, gemeint, hätte allerdings das lo-go-the-te in den Winkeln mit einem kai angeschlossen werden müssen; das kappa wäre leicht im Monogramm anzubringen gewesen, rechts am pi. Folglich ist hier praiposito zu lesen. Der Dativ des Wortes praipositos, Vorgesetzter. Diese Bezeichnung für den höchsten Eunuchenrang ist literarisch allerdings erst um 861 nachweisbar (PMBZ 719, 3321, 5120), womöglich aber bereits 798 (PMBZ 5045) oder gar 780 oder früher (PMBZ 8443). Auch in diesem Fall bezeugen Siegel Ränge früher als schriftliche Quellen. Schon allein der eminente Titel rechtfertigt allerdings das repräsentative Format des Siegels.
Der Kämmerer Scholastikios, Praipositos, war ungewöhnlicherweise mit zwei hohen Ämtern betraut: Generaldirektor der Reichsgestüte und auch der Post (damit auch Zuständiger für das Verkehrswesen, das Äußere u. v. m.). Eine derartige Kumulation von Ämtern ist kaum vorstellbar in ruhigen Zeiten, sehr wohl aber in Krisen mit Personalnot in höchsten zivilen Vertrauenschargen. Der Kuropalates Artabasdos revoltierte unmittelbar nach dem Tod seines Schwiegervaters, Kaiser Leon III., am 18. Juni 741, gegen dessen Sohn und Nachfolger Konstantinos V., schlug ihn bei Dorylaion und zwang ihn zur Flucht ins Thema der Anatoliken. Artabasdos konnte im Sommer in Konstantinopel einziehen und sich krönen lassen, vermutlich mit Scholastikios im Gefolge. Im Sommer 742 zog Artabasdos nach Asia, ins thema ton Thrakesion, um Truppen auszuheben zum weiteren Kampf gegen Konstantinos V. Die metata (Basen) der Reichsgestütsverwaltung lagen in den themata ton Anatolikon und ton Thrakesion. Artabasdos wurde jedoch in der Schlacht bei Sardeis vernichtend geschlagen und musste sich nach Konstantinopel zurückziehen. Im September 743 begann Konstantinos V., die Stadt zu belagern und nahm sie am 2. November ein. (PMBZ 632). Artabasdos und seine Entourage wurden auf der Flucht verhaftet, geblendet und im Hippodrom vorgeführt (PMBZ 632).
Ein ähnlicher Fall einer Ämterhäufung fand zur Zeit von Basilios I., 867-886, statt. Dessen Bruder, Marianos, anthypatos patrikios, bezeugt 866-868, zunächst logothetes ton agelon, wurde zusätzlich logothetes tu dromu (Österreich I 122-125, 34 Tafel 4; PMBZ 4768).
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