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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 768

Estimate: 150 EUR
Price realized: 475 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 9. Jahrhunderts.
Anonym. Zweiseitiges Siegel ø 25mm (18,37g). Ca. 815 - 843 n. Chr. Vs.: Noahs zweite Taube hat Landeplatz gefunden und steht n. r. unter durch drei Blätter angedeuteten Olivenzweig und hält abgezupftes Blatt im Schnabel. Rs.: Stilisiertes Pfingstwunder: oben griechisches Fadenkreuz mit Mittelpunkt im "Himmel"; darunter Kryptogramm für im Sinkflug erdwärts strebende Heiliggeisttaube in "Geisteswoge", mit großer Mittelflamme (für Gottesmutter Maria) und zwei mal sechs Flämmchen (für die Apostel).
Gelbbraune Patina, Rs. Kratzer, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser; ex Grün Auktion 67, 2016, Los 719; ex Münzzentrum Rheinland Auktion 102, 2000, Los 6001.
Die Stempel wurden frei aufgesetzt, mit Stempelstellung 330°, zum Kanal seitlich versetzt. - Das erstaunliche, anepigraphe Siegel stammt aus der Zweiten Ikonoklasmus-Periode der Ostkirche, 815/843. Beide Seiten zeigen eine Taube, die Vs. die Taube, die Noah den Zweig und damit das Zeichen der Rettung vor der Sintflut brachte (1. Mose 6-12): "Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche ein Fenster auf, das er gemacht hatte, und ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden. Danach ließ er eine Taube ausfliegen, um zu erfahren, ob die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser auf dem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahm sie zu sich in die Arche. Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus der Arche. Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen und trug's in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Aber er harrte noch weitere sieben Tage und ließ eine Taube ausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm."
Die Rs. zeigt die Taube des Heiligen Geistes das Pfingstwunder bewirkend (Apg 2, 1-4): "Und als der Tag der Pfingsten erfüllt war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen, und sie wurden alle voll des heiligen Geistes und fingen an zu predigen in andern Zungen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen." (vgl. A. Weiser, Die Apostelgeschichte Kapitel 1-12, Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum Neuen Testament 5/1, Gütersloh / Würzburg 1981, 75-88). So stehen die beiden Tauben für die Errettung der Menschheit im Alten wie im Neuen Bund. Die Haupt-"Zunge" mittig zwischen den zwölf Nebenzungen zeigt, dass an eine Gruppierung der Apostel mit Maria im Zentrum gedacht war, wie schon auf dem ältesten bekannten Pfingstbild, im syrischen Rabbula-Codex von 586 n. Chr. (LdM III 415-423, bes. 421 (S. Seeliger, Hrsg.)): dort steht Maria zwischen den zwei mal sechs stehenden Aposteln; über ihr die niedergehende Taube mit ihrer "großen" Zunge, während über den Apostelköpfen kleinere Zungen brennen. Das originell-ikonoklastische Reversbild war einem Betrachter offensichtlich noch nicht ikonoklastisch genug, so dass er es mit einem Hieb, mittig leicht geneigt, symbolisch tilgte.
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