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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 781

Estimate: 200 EUR
Price realized: 2200 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 10. Jahrhunderts.
Niketas. Zweiseitiges Siegel ø 24mm (9,77g). 921 - 926 n. Chr. Vs.: + CE ΠPOCK, S T, EΞ ΠAPΘ' , Büste der Madonna (Theotokos nikopoios), mit ovalem Christus-Medaillon. Rs.: ........ - .+ NIKH.-TA MITPO-ΠOΛIT' A.- Θ INWN.
Braune Patina, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser; ex Münzzentrum Rheinland Auktion 91, 1997, Los 797.
Laurent V 1, 443, 593 (mit fast unleserlicher Avers-Umschrift (+ CEΠ........... APΘ), gefunden am 17. März 1938 auf der Athener Agora); Laurent V 1, 442, 591(b) = Coll. Athen, Nachtrag (Zugang 1912/1913): K. M. Konstantopulos, Sfragis Niketa Metropolitu Athenon, JIAN 16, 1914, 2 var. (mit [+ΘEOTO)KE B]OHΘEI TW CW ΔUΛW] / + NIKH-TA MHTP.- Π OΛIT Λ-ΘHNWN (!)); DOC.Seals II 52f, 9.8 var. (Hälbling mit unkenntlicher Vorderseite / [+ NI]KH-[TA] MHTP-[O] Π OΛIT, A-[ΘHNW, = Laurent V 1, 442, 591(a), dort mit fiktiver Avers-Umschrift, die nur für das andere dort zitierte Exemplar, 591(b), belegt ist: JIAN 16, 1914, 32 (K. M. Konstantopulos)); ein weiterer Typ, mit Theotokosbüste zwischen zwei Invokationsmonogrammen (Laurent V 1, 442f, 592 = Coll. Athen 190, 57) gehört einem älteren Homonymos (DOC.Seals II 52f, 9.8 Anm.), wohl demjenigen, der 881 starb (JIAN 16, 1914, 32; PMBZ 25698).
Erst mit diesem prägefrischen Exemplar liegt der bisher nur einmal bezeugte Typ komplett lesbar vor: "Se prosk(ynumen) s (= kai) t(on) ex (su) parth(ene) / Niketa(s) Mitropolit(es) Athinon"; "Dich verehren wir und den aus Dir, Jungfrau / (Siegel von) Niketas, Metropolites (der) Athener"; - Die ungewöhnliche Invokation, ein dodekasyllabischer Vers, erscheint auf einem Siegeltyp von Gregorios Asbestas, Archiepiskopos von Sizilien, 844-852/853, 858-867 und 877-878/879 (dann Metropolit von Nikaia, 878/879-879/880) (Laurent V 1, 696f, 887; Leu 15, 2021, 4118 (27,51g); - PMBZ 87-94, 2480) und eines ansonsten unbekannten Paulos, Metropolites von Seleukeia (Triton 11, 2008, 1133; Obolos 15, 2020, 1032): bei Gregorios als CE POCKVN?MEN S TON EK C? ENE, bei Petros als CE POCKVNOVMEN S TON EK COV ENE (in Athen mit E V statt EK COV). Die Incipit-Zeile eines Marienhymnos passt für Athen, die Stadt der Athena Parthenos, mit der Metropolitankirche im Parthenon, besonders gut, da die Muttergottes, wie einst Athena, als "Parthenos" angerufen wird.
Auf der Rückseite sind zwei Eta durch Iota ersetzt, so, wie damals "Mitropolites" und "Athinon" ausgesprochen wurden.
Die Reihe der damaligen Metropoliten von Athen ist durch die Parthenon-Inschrift (ed. Boeck, 9358ff) gesichert: Sabas starb am 3. Dezember 913; ihm folgte Georgios, der am 9. September 921 starb (Grumel, Regestes II 190 zu 706; in DOC.Seals II 52f zu 9.8 wurde Georgios übersehen; daher ist der Amtsantritt des Niketas dort mit 913 zu früh angegeben). Sein Nachfolger Niketas war bis zu seinem Tod, am 2. November 926, im Amt (das Stück bestätigt Werner Seibts Datierung des Siegels von Gregorios, Patrikios etc., Österreich I 188f, 73 Tafel 5: "ca. 900/933").
Der Bischof von Athen war zunächst Suffragan des Metropoliten von Korinth. Das Bistum Athen wurde kurz nach 765, wohl auf Betreiben der Kaiserin Irene aus Athen, zur Metropolis erhoben, allerdings in Folge des Protestes des Metropoliten von Korinth bald wieder zurückgestuft, jedenfalls unter Bischof Tarasios, gegen Ende seines Episkopates (806) eingerichtet (Laurent V 1, 537). In der Parthenon-Inschrift werden die Kirchenfürsten von Athen zunächst als Bischöfe bezeichnet, seit 819 als autokephale Erzbischöfe und seit 975 als Metropoliten. Ab etwa 900 - der autokephale Erzbischof von Athen und Exarchos von Hellas rangierte damals auf dem 28. Rang der Reichskirche - gehörten folgende Suffragane zu Athen: Euripos, Daulia, Koroneia, Andros, Oreos, Skyros, Karystos, Porthmos, Aulon und Syra (F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter I, Stuttgart 1889, 156ff; Laurent V 1, 437; TIB I 57-62, 81f, 127; DOC.Seals II 49-53; vgl. auch H. Hunger, Athen und Byzanz, Traum und Realität, JÖB 40, 1990, 43-61).
Niketas war involviert in den Tetragamie-Skandal seines Kaisers. Leon VI. dem Weisen, 886-912, waren 903 schon drei Gemahlinnen weggestorben, ohne dass der ersehnte Thronfolger auf die Welt gekommen wäre. Später brachte seine Favoritin Zoe Karbonopsina einen Sohn, Konstantinos (VII.), zur Welt. Patriarch Nikolaos I. Mystikos, seit dem 1. März 901 im Amt, erklärte sich bereit, das Kind als Kaisersohn (und Thronfolger) zu legitimieren, aber nur unter der Bedingung, dass Leon sich von Zoe trennte. Doch drei Tage nach der Legitimation des Kindes, am 9. Januar 906, heiratete Leon VI. seine Zoe und erhob sie zur Augusta. Der Patriarch war über diese nach damaligem Kirchenrecht unerhörte vierte Eheschließung derart erbost, dass er dem Kaiser den Zutritt zur Hagia Sophia untersagte. Leon ließ sich von Papst Sergius III. Dispens erteilen und setzte den Patriarchen im Februar 907 ab. Nach Leons Tod, am 12. Mai 912, folgte ihm sein Bruder Alexander nach (912-913). Dieser setzte den Patriarchen Nikolaos I. Mystikos am 15. Mai 912 wieder ein (er blieb im Amt bis zu seinem Tod, am 15. Mai 925). Nachfolger Alexanders wurde am 6. Juni 913 Konstantinos VII., unter Vormundschaft seiner Mutter Zoe, bis 919. Auf dem achten Ökumenischen Konzil in Konstantinopel, im Juli 920, erklärte der Patriarch die vierte und dritte Ehe des verstorbenen Leon VI. für ungültig (Ostrogorsky 215ff, 226). Kaum war Niketas am 9. September 921 zum Erzbischof von Athen ernannt, enthob er Bischöfe, die jene inkriminierte Tetragamie befürwortet hatten, ihres Amtes. Der Patriarch ermahnte in einem Schreiben, wohl in der ersten Jahreshälfte 922, seinen übereifrigen Niketas, die Absetzung besagter Herren zurückzunehmen und eine endgültige Regelung abzuwarten, denn seinerzeit hätten weder Sabas von Athen noch seine Kollegen ihre Sitze eingebüßt (Grumel, Regestes II 189f, 706).
Niketas verstarb am Freitag, dem 2. November 6435 (926) und wurde vermutlich im Dom von Athen (Parthenon) beigesetzt (PMBZ 25743).
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