NumisBids
  
Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
View prices realized

Lot 783

Estimate: 150 EUR
Price realized: 120 EUR
Find similar lots
Share this lot: Share by Email
BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 10. Jahrhunderts.
Leon. Zweiseitiges Siegel ø 23mm (17,28g). Ca. 940 - 980 n. Chr. Vs.: + KE ROHΘEI TW CW ΔOUΛ, Patriarchenkreuz auf vier Stufen über Globus; beide Querholme gekreuzt; beidseitig florale Ranken mit aufrecht gestelltem Efeublatt im unteren und drei-blättrigem Trieb im oberen Feld. Rs.: + ΛEONTI - R' A' CΠAΘ, - EΠI T, XPVCOTP, S - EΠI TWN ΔE-HCEWN.
Gelbbraune Patina, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser.
"K(yri)e boethei to so dul(o) / Leonti b(asiliko) A (= proto)spath(ario) epi t(u) chrysotr(iklinu) s (= kai) epi ton deeseon"; " Herr hilf deinem Diener / Leon (dem) kaiserlichen Protospatharios epi tu Chrysotriklinu und Epi ton deeseon"; - Der Chrysotriklinos war der "Goldsaal" im Blachernenpalast, benannt nach einem goldenen Tisch für dreißig Personen. Mit weiteren Tischen bot der Saal maximal 102 Bankettplätze (Oikonomides, Listes 106 Anm. 209).
Der Saal wurde verwaltet von "epi tu chrysotriklinu", "(Zuständigen) für den Goldsaal". Diese wenigen tatsächlichen Epi tu Chrysotriklinu sind nicht zu verwechseln mit dem immer häufiger verliehenen Rang dieses Namens. Der Protospatharios, kenntlich am vom Kaiser verliehenen Edelstein-besetzten Goldkollier, hatte, wie Philoteos um 899 überliefert, bei seiner Ernennung Nomismata auszuhändigen: jedem Protospatharios 24, dem Katepano der Basilikoi 18, dem Domestikos der Basilikoi, dem Papias und dem Deuteros je sechs. Bei der Beförderung zum Protospatharios epi tu Chrysotriklinu wurden 24 Goldstücke für den Papias fällig (Philotheos 93, 12-18). Die Herren dieses Ranges, von Leon VI., 886-912, vor den Ex-Strategen und Ex-Eparchen geführt, rangieren bei Philotheos hinter etlichen Chargen und Ex-Chargen und vor den Richtern im Protospatharios-Rang (147, 15ff); auch Spatharokandidatoi (149, 16), Spatharioi (151, 25) und Stratores (155, 22) konnten titulare Epi tu chrysotriklinu werden. Im Taktikon Escurial, von 971/975, folgen auf viele hohe Chargen: die Protospatharioi und Belon-Richter - die Protospatharioi epi tu chrysotriklinu und Ex-Strategen - die Protospatharioi epi tu chrysotriklinu - die Protospatharioi und Ex-Oikeiakoi-Strategen - die Protospatharioi und Hippodrom-Richter (273, 15-19).
Der Epi ton deeseon, "(Zuständige) für die Bitten", war eine hohe Palastcharge. Der Mann hatte die am Morgen eingehenden Bittschriften zu sammeln, zu ordnen und die von ihm getroffene Auswahl dem Kaiser vorzutragen. Der Epi ton Deeseon war also ein nicht unbedeutender Mann im engeren Umfeld des Kaisers, dem sein Amt sicher zu erheblichen diskreten Einnahmen verhalf (R. Guilland, Le maître des requêtes, Byzantion 35, 1965, 97-118 = Titres XXII; Laurent II 196; Oikonomides, Listes 322).
In den Taktika sind für den Epi ton Deeseon folgende Ränge vorgesehen: Im Taktikon Uspenskij, von 842/843, Spatharokandidatos (53, 22); bei Philotheos, von 899, Anthypatos-Patrikios (103, 20) oder Protospatharios (141, 2); im Taktikon Beneševi?, von 934/944, Protospatharios (251, 1) und im Taktikon Escurial, von 971/975, Patrikios (271, 27) oder Praipositos, da erst weiter unten, ab 273, 15-19, die Protospatharios-Ränge beginnen.
Siegel dieser Art werden bislang zu spät datiert. Laurent II 119 weist den vorliegenden Typ "sans aucun doute" dem Protospatharios und Krites epi tu Hippodromu und Epi ton Deeseon Leon zu, der im Mai 1030 bezeugt ist.
Dass diese Datierung unrichtig ist, konnte bis 1991 allerdings kaum erkannt werden, da keines der "Leitfossil"-artigen Patriarchen-Siegel zwischen 901-925 (Nikolaos I.) und 970-974 (Basilios I.) bekannt war. Da tauchte bei Sternberg 25, 1991, 488, das erste Siegel des Patriarchen Polyeuktos auf, der vom 3. April 956 bis zum 5. Februar 970 amtierte. Das Siegel ist ähnlich dünn wie das vorliegende Stück, mit 40/44mm ebenfalls auffallend breit und mit einem Revers, das demjenigen des vorliegenden Siegels so überaus ähnlich gestaltet ist, dass beide Siegel sicher etwa zur gleichen Zeit entstanden sind.
Die Datierung wird des Weiteren gestützt durch das Zierelement - + - , das auf einem Siegel der Patriarchen Basilios I., 970-974 (Zacos/Nesbitt 13, 11 Tafel 2) und Antonios III., 974-980 (GM 208, 2012, 2559), vorkommt; außerdem auf einem Siegel des Basilios, Protospatharios epi tu Chrysotriklinu & Epi ton Deeseon (Laurent II 117, 245), der daher wohl identisch ist mit dem literarisch unter Romanos II., 963-969, in diesem Amt bezeugten Basilios (Guilland, Titres XXII 101).
Den terminus post quem liefern Siegel des Theophilos (Erotikos), basilikos Protospatharios & Eparchos, der Anfang 945 Koiaistor wurde und wenig später zum Patrikios erhoben wurde (Theophanes ciont., ed. Bonn 441, 444, zitiert nach Zacos/Nesbitt 196). Siegel des Mannes, die ihn basilikos Protospatharios & Koiaistor nennen, gehören folglich ins Jahr 945. Diese Siegel, zeigen ein sehr ähnlich gestaltetes Rankenkreuz: Laurent II 614, 1108 Tafel 44; Zacos/Nesbitt 197f, 332 Tafel 17; MZ 150, 2009, 599.
Die spätesten Stufenkreuz-Siegel tragen Feld-füllende Ranken, die das Feld wie eine floral gestaltete Tapisserie zieren: Gregorios Tarchaneiotes, Katepano von Italien 998-1006 (DOC.Seals I 17, 2.4); Stephanos, Chartophylax, bezeugt 987 (Laurent V 1, 80, 87); Iohannes, Chartophylax, bezeugt bis 994 (Laurent V 1, 70f, 88 Tafel 13); - das Siegel von Demetrios. Metropolit von Kyzikos, Laurent V 1, 250f, 350 Tafel 47, gehörte folglich nicht dem 1028 bezeugten Homonymos.
Question about this auction? Contact Gorny & Mosch