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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 785

Estimate: 125 EUR
Price realized: 250 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 11. Jahrhunderts.
Michael. Zweiseitiges Siegel ø 31mm (19,67g). Ca. 1025 - 1030 n. Chr. Vs.: + ΘKE R, Θ, -TW CW Δ. - IXAHΛ - [A'] CΠΑΤ, E-I TOV XP, - ΓΚΛ. Rs.: MVCTO-ΓΡΑΦΟ - KPI-TH TOV - RIΛOV S TWN - ROVKEΛ-PIWN.
Gelbbraune Patina, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser, ex Numismatik Naumann Auktion 50, 2017, Los 852.
"Th(eoto)ke b(oe)th(ei) to so d(ulo) Michael A (= proto-)spath(ario) epi tu Chr(ysio)G(= tri-)k(lino) / Mystographo, krite tu belu S (= kai) ton Bukel(l)arion"; "Muttergottes hilf deinem Diener Michael, (dem) Protospatharios für den Gold-Thronsaal / (dem) Mystographos, (dem) Richter des Belons und der Bukellarier". Auf dem Avers ist noch die alte Ligatur für OV verwendet, auf dem Revers schon die modernere.
Michael war "Krites tu Belu", einer der zwölf höchsten Reichsrichter, am Belon-Gericht, das seinen Namen nach dem "velum" trug, einem Vorhang, hinter dem die hohen Herren tagten.
Der Mystographos, "Geheimschreiber", kommt erst im Taktikon Escurial (971/975) vor, als Einzelperson hinter dem Mystikos, einigen Gardekommandanten und vor dem "epi ton deeseon" (Oikonomides, Listes 271.26; 326). Das Wort erinnert an den neuzeitlichen "wirklichen Geheimrat", wie etwa Goethe am Hof von Sachsen-Weimar, einen Berater in engem Kontakt mit seinem Souverän. Da aber kein einziges Dokument vorliegt, das ein Mystographos geschrieben hat, auch kein an ihn adressiertes Schriftstück, ist eher zu vermuten, dass der Mystographos eine Vertrauensstellung bei Hofe war (Oikonomides, Listes 325 mit älterer Literatur; Laurent II 60-70), vielleicht ein juristischer Berater des Kaisers.
"Bucellarii" waren Leibwächter, "protectores", die zunächst mit dem Spitznamen "Bucellarii" belegt wurden, weil sie, wie ihre Herren, kein Kommissbrot aßen, sondern "bucellae", Weizenbrötchen.
Das Thema der Bukellarioi ist bei Philotheos (899) und in den Taktika Uspenskij (842/843), Beneševi? (934/944) und Escurial (971/975) bezeugt, jeweils an fünfter Stelle, hinter den Themata ton Anatolikon; ton Armeniakon, ton Thrakesion und tu Opsikiu und vor dem Thema tes Kappadokias und allen weiteren (Oikonomides, Listes 101.10, 105.2, 137,25; 49.5, 55.20; 247.3; 265.4). Das Thema wurde vermutlich 765/766 aus dem Ostteil des Themas tu Opsikiu gebildet. Die bisherige Hauptstadt des Themas tu Opsikiu, Ankyra (Ankara), wurde Hauptstadt des neuen Themas ton Bukellarion. Später wurde aus dem Norden des Themas ton Bukellarion das neue Thema tes Paphlagonias abgetrennt; der Ostteil wurde im 10. Jhdt. an Kappadokia und Charsianon überschrieben (Pertusi 133-136; DOC.Seals 4, 1).
Vielleicht führte dieser Michael etwas früher ein Siegel, auf dem er als "Protospatharios epi tu Chrysotriklinu, basilikos notarios tu eidiku, krites tu belu kai mystographos" bezeugt ist (Laurent II 62f, 135 (o. Abb.), allerdings angeblich mit Kyrios-Invokation und mit Mystographos-Titel hinter dem des Belon-Richters).
Ein sehr ähnlicher Siegeltyp blieb erhalten, der Michael als "Krites ton Anatolikon" überliefert, als Zivilgouverneur der höchst-rangigen Themas der Anatoliken: "Th(eoto)ke boethei to so dudo (!) Michael / krite ton Anatolikon"; "Gottesgebärerin hilf deinem Diener Michael / (dem) Richter der Anatoliken": MZ 86, 1996, 582 = Weiser, Peus 376, 2003, 1359 (13,87g); Grün 14, 1995, 789 = GM 152, 2006, 2707 (18,59g); Naumann 63, 2018, 1058 (17,17g).
In einem Synodalerlass des Patriarchen Alexios Studites vom Mai 1030 wird womöglich dieser Michael, als "Protospatharios, Krites tu Belu & Epi ton oikeiakon" erwähnt (PMBZ 25383). Nachdem am 3. Juli 1032 Pothos Argyros, der "Protospatharios & Katepano" von Italien ums Leben gekommen war, wurde derselbe Michael als sein Nachfolger mit der Aufgabe, Truppen aus dem Thema der Anatoliken nach Italien zu überführen. Sein Siegel, dem vorliegenden überaus ähnlich, nennt ihn "Protospatharios epi tu chrysotriklinu & koitonos & krites epi tu hippodromu & tu belu & epi ton oikeiakon & katepano Italias" (Oikonomides, Datet DOC.Seals 81). Der prominente Richter und Verwaltungsmann Michael erledigte seine Aufgabe und übergab das Amt des Militärgouverneurs von Italien im Mai 1033 an seinen Nachfolger, den General Konstantin Opos (Guilland, Recherches II 107; Felix 202-205; Falkenhausen 88, 185; Kühn 217).
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