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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 798

Estimate: 150 EUR
Price realized: 150 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 11. Jahrhunderts.
Michael Zographos. Zweiseitiges Siegel ø 31mm (19,28g). Ca. 1065 - 1075 n. Chr. Vs.: - + - ΘKE, R, - MIXAHΛ - CΠAΘ,R,K-ΔIΔA - + - Rs.: - + - ACHKPH, - KAI KPITH - TW ZWΓP, ΦW X -.- .
Gelbbraune Patina, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser; ex Numismatik Lanz Auktion 154, 2012, Los 613.
"Th(eoto)ke b(oethei) Michael spath(a)r(o)k(an)dida(to) / asekre(te) kai krite to Zogr(a)pho"; "Muttergottes hilf Michael, (dem) Spatharokandidatos / Asekretis und Krites, dem Zographos"; - Die Aufschriften stehen zwischen Vierpunkt-Kreuzen zwischen Horizontalhasten (Avers und Revers oben) bzw. Punkt zwischen Horizontalhasten (Revers unten); am Ende der Legende steht ein Vierpunkt-X. Vierpunkt-Kreuze zwischen Horizontalhasten kommen schon auf anonymen Folles der Klasse A 2 vor, die in die Zeit um 976/1020 gehören (DOC III 2, 645, 9, 48, 49).
Das Siegel, mit Perlkreisen von 20mm bzw. 22mm ist mit fünf Hammerschlägen überprägt auf ein größeres Siegel.
"Zographos" bezeichnet den "nach dem Leben Schreiber", kurz "Maler". Im PLP, 6640-6643, sind einige spätere Zographoi vermerkt. Noch heute ist der Name naheliegenderweise häufig. Eine Athos-Kloster heißt "tu Zographu", "des Malers" (LDM IX Art. Zograph, 662f (V. Gjuzelev)), weil die bulgarischen Gründer 919 eine nicht von Menschenhand gemalte Ikone des heiligen Georg vorfanden, der zur Folge sie ihr Kloster diesem Heiligen weihten.
Ein weiteres Siegel, mit Büste der Theotokos Dexiokratusa auf dem Avers, belegt die Karriere Michaels: Protospatharios & Protonotarios (GM 176, 2009, 2833, dort unbestimmt). Dieses Siegel zeigt die Büste der Theotokos Hodegetria nicht, wie üblich, mit dem Christuskind auf dem linken (wie z. B. unten auf dem Siegel des Nikephoros Melissenos), sondern auf dem rechten Arm. Dieser Typ wurde daher "Theotokos Dexiokratusa" genannt oder "Theotokos Bassiotissa", nach einer Ikone im Quartier "tu Bassu" in Konstantinopel. In maritimen Kreisen wurde eine Dexiokratusa als "Abydene" angerufen, nach einer Ikone in Abydos, am Südkap der Dardanellen. Heute heißt der Typ russisch "Vladimirskaja", nach einer Ikone in Vladimir (Seibt, Theotokos 47f). Auf diesem Siegel ist eine spezielle Version zu sehen, auf der vom Christuskind nicht nur die Büste von vorn zu sehen ist (wie z.B. bei Zacos/Nesbitt 210, 359 Tafel 38; 324, 670 Tafel 66), sondern auch die Beine des auf der Mutter Arm sitzenden Kindes; der Körper des Christuskindes ist überdies nicht nach vorn gewandt, sondern nach rechts, zu seiner Mutter hin, der es seinen rechten Arm an die Schulter legt. Etliche Beispiele für Siegel mit diesem Bild sind bekannt, z.B.: Athanasios, Monachos ho Bassiotes (Laurent V 3, 209, 1901 Tafel 37); Basilios (?), Protosynkellos (Laurent V 1, 152f, 223 Tafel 20); Chasianos, Hypatos (Zacos/Nesbitt 223, 395 Tafel 41); Gregoras (Zacos/Nesbitt 375f, 814 Tafel 80 (!)); Gregorios, Prohedros von Diokleia (Laurent V 1, 397, 536 Tafel 73); Michael, Metropolit von Abydos (Zacos/Nesbitt 295, 587 Tafel 59); Michael, Poimenarches (Laurent V 3, 190, 1870 Tafel 33); Michael, Poimenarches der Iborer (Laurent V 3, 80, 1722 Tafel 15 = DOC.Seals IV 79, 27.1); Niketas, Episkopos von Andros (Laurent V 2, 417f, 1584 Tafel 193 = DOC.Seals II 137, 45.1); Niketas, Poimen Poron (Laurent V 3, 117f, 1768 = DOC.Seals I 143, 58.1); Niketas Anzas, Megas Chartularios (Laurent II 169, 350 Tafel 13); Philaretos, Spatharokandidatos & Protokentarchos (Zacos/Nesbitt 325, 673 Tafel 66); Polyeuktos, Bestes (Zacos/Nesbitt 327, 678 Tafel 67), Theotokos-Kloster tu Batopaidiu (Laurent V 2, 148, 1224 Tafel 156 = DOC.Seals I 92, 28.7); Theotokos-Kloster tu Kokkinobaphu (Laurent V 2, 179, 1259 Tafel 161 = DOC.Seals III 96, 51.1); nur zwei Siegel dieser Art sind bisher genauer datierbar: Michael, Metropolit von Traianopolis & Prohedros der Protosynkelloi (Laurent V 3, 116f, 1767 Tafel 21 = DOC.Seals I 147, 61.2): 1071/1077 bis vor 1094/1095; Nikephoros Melissenos, Prohedros (Spink 135, 1999, x299; DO 58.106.3229 = S/Z 56): vor Oktober 1077. Wenn also das Siegel des Michael Zographos, Protospatharios & Protonotarios, mit der Dexiokratusa-Büste aus der Zeit um 1071/1077 stammt, muss das vorliegende Stück älter sein, vielleicht aus der Zeit um 1070/1075.
Allerdings ist für einen Asekretis und Richter (vgl. Oikonomides, Listes 322f) der Rang des Spatharokandidatos damals erstaunlich niedrig. Schon im Taktikon Escurial, von 971/975, ist für einen Richter des Hippodrom-Tribunals, des allerdings zweit-prominentesten Gerichtshofes, der Rang des Protospatharios vorgesehen (Oikonomides, Listes 273, 19; zum Asekretis-Posten vgl. Weiss, Beamte 112-117; Oikonomodes, Listes 310). Michael Zographos war als nicht-kaiserlicher Spatharokandidatos ein nicht eben prominenter nicht-kaiserlicher Schreiber und Richter.
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