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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 799

Estimate: 150 EUR
Price realized: 800 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 11. Jahrhunderts.
Nikephoros Melissenos. Zweiseitiges Siegel ø 29mm (23,09g). Ca. 1070 - 1077 n. Chr. Vs.: MHHP - ΘV, Madonnen-Hüftbild mit Christuskind im linken Arm (Theotokos Hodegetria). Rs.: + ΘKE R, , - NIKHΦOPW - MAΓICTPW - RECTAPX S K'-TEΠAN, TW - MEΛ,C,N,.
Hohes Relief, eindrucksvolle Darstellung! Gelbbraune Patina, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser; ex Schulten Auktion April 1989, Los 889; ex Ritter Lager November 1988.
"Me(t)er th(e)u / Th(eoto)ke b(oe)th(ei) Nikephoro Magistro nestarch(e) s (= kai) k(a)tepan(o) to Mel(i)s/e)n(o)"; "Mutter Gottes / Muttergottes hilf Nikephoros, (dem) Magistros-Bestarches und Katepano, dem Melissenos".
Das beliebte Bild der Theotokos Hodegetria geht zurück auf eine Ikone im Kloster "ton Hodegon" in Konstantinopel (Seibt, Theotokos 47).
Nikephoros Melissenos war Sohn eines Burtzes (Ceynet / Vannier 41, 17) und einer Melissene. Diese seine Mutter war vielleicht Maria Melissene, deren Siegel sie als "patrikia zosté", bezeugt, als Erste Zofe der Kaiserin und damit ranghöchste Hofdame; ihre Siegel datiert Werner Seibt in die Zeit um 1060/1080 (Österreich I 260ff, 128 Tafel 8). Die eminente Stellung der Dame würde zwanglos erklären, warum Nikephoros sich nicht den Familiennamen seines Vaters, sondern den seiner Mutter zulegte.
Noch zu Lebzeiten von Iohannes Komnenos, Kuropalates, verheiratet mit Anna Dalassene, der am 12. Juli 1067 starb, heiratete Nikephoros Melissenos deren zweite Tochter Eudokia, geboren um 1052 (Barzos 80-84, 13). Eudokias ältere Schwester, Maria (Österreich I 133ff, 38 Tafel 4) wurde Gemahlin von Michael Taronites, Theodora, die jüngere, von Konstantinos, dem einzigen Sohn von Romanos IV. Diogenes, 1068-1071 Kaiser (s. o.). 1068-1071 war Nikephoros Melissenos daher Schwager des Kronprinzen. Die Brüder seiner Gemahlin, Manuel, Isaakios, Hadrianos und besonders Alexios, machten bedeutende Karrieren. Seit Alexios 1081(-1118) Kaiser geworden war, war Nikephoros Kaiserschwager.
Die Karriere des Nikephoros wird zunächst fast nur durch Siegel überliefert. Allerdings werden die ältesten Siegel bisher in irriger Reihenfolge angegeben, nach den Hofrängen Bestarches < Magistros Bestarches < Magistros (Zacos III 1480f; S/Z 56 (ohne Bestarches)). Der Titel "Magistros-Bestarches" bezeichnet jedoch keinesfalls einen Magistros, der vorher Bestarches gewesen war, so dass der erste bei Zacos III 1480f, genannte Rang als unbewiesen entfallen muss. Zwischen den Rängen "Magistros" und "Prohedros" waren damals, wie zwischen "Patrikios-Anthypatos" und "Magistros", zwei Zwischenränge vorgesehen: "Magistros-Bestes" und "Magistros-Bestarches", analog zu "(Patrikios-Anthypatos-)Bestes" und "(Patrikios-Anthypatos-)Bestarches". Der Hofrang "Magistros-Bestarches" lautete zunächst "Magistros- Bestes-Bestarches", wie auf Siegeln von Leon Skleros als Zivil-Gouverneur der Ägäis-Inseln (Seibt, Skleroi 89f, 20e Tafel 4, 13; MZ 156, 2010, 1090 = MZ 159, 2011, 694) und Nikephoros Botaneiates als Dux von Edessa & [. . . . . .] (Zacos III 1462f, 2686 Tafel 178 = Kühn 201f). Die Reihenfolge der frühen Siegel von Nikephoros Melissenos ist folglich: Magistros < Magistros-Bestarches.
Im Magistros-Rang ist Nikephoros Melissenos bezeugt als Dux von Triaditza (Zacos III 1481, 2697bis Tafel 180 = Kühn 242 = Spink 132, 1999, x214; Šandrovskaja 28f, 1 (Ermitage M.3); Felzmann 134, 2011, 10038 (dort unbestimmt) = MZ 161, 2012, 813 = MZ 163, 2012, 687) bzw. als Katepano von Triaditza (Šandrovskaja 28f, 2 (Ermitage M.146)). Nikephoros hatte also gewissermaßen das Kommando des Vaters seines Schwagers Konstantinos, Romanos Diogenes, geerbt, der am 1. Januar 1068 Kaiser wurde (s. o. sein Siegel). Auch Eudokia, Magistrissa, ist sigillographisch nachweisbar (Zacos III 1485, 2700 Tafel 180).
Der Hofrang "Magistros-Bestes" ist für Nikephoros Melissenos bisher nicht bezeugt; als Magistros-Bestarches führte er Siegel als Katepano (s. o.) bzw. als Katepano und Krites von Zypern (MZ 77, 1994, 1179 = Metcalf 250, 200; Leu 12, 2020, 1574 (12,89g); Bucephalus 1, 652 (dort unbestimmt; 18,55g)).
Nikephoros Melissenos machte weiter Karriere. Er wurde Prohedros (Siegel: Spink 135, 1999, x299; DO 58.106.3229 = S/Z 56), dann Protoprohedros (Sammlung Zakos, unpubliziert, zitiert nach S/Z 56). Ein Siegel, Coll. Orghidan 106f, 196 Tafel 23, weist leider Feldverluste auf, so dass nur lesbar ist: "[. . ]E R - [T]W CW U, - [NI]KH OP, [AA]E PW - KAI / [MONO]-CTPAT[H W] - TWN ANA[TO]- IK, TW [ME]- ICHN[W]. Angesichts der Rebellion des Nikephoros Botaneiates, seit Oktober 1077, versicherte Nikephoros Melissenos Kaiser Michael VII. Dukas seiner Treue, worauf ihn dieser zum "Monostrategos ton Anatolikon" erhob, wie besagtes Siegel bezeugt, ihm also das eminente Kommando übertrug, das bisher Nikephoros Botaneiates innegehabt hatte (Bryennios III 15 (ed. Gautier 237, 15ff), zitiert nach Skoulatos 240f Anm. 8; sigillographisch ist Nikephoros Botaneiates jedoch bisher nicht als Monostrategos, sondern als Dux der Anatoliken bezeugt, im Kuropalates-Rang: Zacos III 1467f, 2690bis.a-b Tafel 179).
Aber Nikephoros Botaneiates siegte und trat als Nikephoros III. am 3. April 1078 seine Kaiserherrschaft an. Nikephoros Melissenos wurde seines Kommandos enthoben und auf die Insel Kos verbannt.
Um 1080 erschien er wieder in Kleinasien, sammelte Truppen und ließ sich gegen Jahresende in Nikaia zum Kaiser ausrufen. Vier Siegel mit "Autokrator Rhomaion" blieben erhalten (Zacos I 88f, 99-100 Tafel 25; Aufhäuser 7, 1990, 891; Coll. Istanbul 66, 1.41).
Im März 1081 trat ihm jedoch sein Schwager Alexios Komnenos entgegen. Nikephoros lagerte mit seiner Armee in Damalis (heute Üsküdar); Alexios vor den Mauern von Konstantinopel. Man einigte sich gütlich: Alexios zog in die Stadt ein und ließ sich am 1. April 1081 krönen. Wenige Tager später kam Nikephoros nach, unterwarf sich und erhielt die nächst-höchste Würde eines "Kaisar". Zwei Siegel mit diesem Titel sind bekannt (Zacos III 1482, 2698 Tafel 180; Baldwin Liste November 2005, 45 = Seibt, Kestner-Museum 76ff, 29), mit "despotes" 13 Siegel (Zacos III 1482-1485, 2699a-e Tafel 180; DOC.Seals VI 156ff, 86.1 - 87.1-4; CNG 443, 2019, 651) und eine Silbermünze (DOC III 2, 840 Anm. 1 Tafel 70 (Paris)). Auch ein Siegel von Eudokia Komnene als Kaisarissa und Schwester des Kaisers (Alexios) ist bekannt (Zacos III 1486, 2700bis Tafel 181 = Spink 135, 1999, x295).
Nikephoros Melissenos hielt Alexios I. Komnenos die Treue und diente ihm als einer seiner besten Generäle. Er starb am 17. November 1104, seine Gemahlin irgendwann vor Oktober 1136 (Skoulatos 240-245, 150; Barzos 80-84, 13).
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