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Gorny & Mosch
Auction 293  6-7 Mar 2023
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Lot 815

Estimate: 800 EUR
Price realized: 5500 EUR
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BYZANTINISCHE BLEISIEGEL. Siegel des 12. / 14. Jahrhunderts.
Aimerich von Limoges, lateinischer Patriarch von Antiochia. Zweiseitiges Siegel. ø 37mm (43,52g). Ca. 1125 - 1150 n. Chr. Vs.: + SIGILLVM SANCTI PETRI APOSTOLI, nimbierte Büste des Hl. Petrus mit Schlüsselpaar. Rs.: + AIMERICVS PATRIARChA ANTIOCENVS (NT ligiert), Büste in Kasel mit Mitra bicornis, Segenshand und Prozessionskreuz v. v.
Gelbbraune Patina, vz

Ex Sammlung Prof. Dr. Wolfram Weiser; ex Fischer Auktion 139, 2014, Los 83.
Vgl. Schlumberger, L'Orient latin 87, 36, 37 (an einem Dokument von 1174 hängend, worin Aimerich einen Vorgang bestätigt zwischen Gerhard, Erzbischof von Apamea, und den Hospitalitern (Archiv der Johanniter auf Malta), 38 Tafel 2, 6 und 9 (stempelgleich), an einem undatierten Dokument hängend, betreffend die Reliquien der Heiligen Jakob und Babylas, zu Gunsten von Michel, Connétable de France (Archives départementales du Nord)); Spink 132, 1999, x149 (irrig ANTIOCENSIS); G. Glücksmann / R. Kool, Crusader Period Finds from the Temple Mount Excavations in Jerusalem, Atiqot 26, 1995, 87-104, 5 Abb. 10 (gefunden südlich der Al-Aqsa-Moschee), zitiert nach SBS VI 1999, 83f.
"Sigillum sancti Petri apostoli / Aimericus Patriarcha Antioc(h)enus"; "Siegel des heiligen Petrus, des Apostels / Aimerich, Patriarch, der Antiochenische"; - Der Apostrel Petrus war nach Auffassung der Antiochener ihr erster Bischof. Das Fürstentum Antiochia war im Laufe des Ersten Kreuzzuges 1098 von Boemund von Tarent gegründet worden. Aimerich, geboren in Limoges, angeblich kaum des Lesens und Schreibens mächtig, war Kapitel-Oberer von Radulph von Domfront, Bischof der 1131 von Levon I. von Armenien den Lateinern entrissenen Bistums Mamistra; die Antiochener riefen Radulph im Sommer 1135, nach dem Tod ihres Patriarchen Bernhard, zum Patriarchen aus (Siegel: Coll. Seyrig 246, 384 Tafel 25); Radulph nahm seine Position ohne jegliche Approbation, daher widerrechtlich, ein, so dass er nach mancherlei Querelen mit Raimund von Poitiers, der seit 1136 durch Heirat mit der 8/9-jährigen Konstanze von Antiochia Fürst des Reiches war, auf einer Synode 1142 abgesetzt und durch Aimerich ersetzt wurde. Nach Raimunds Tod in der Schlacht von Inab, am 29. August 1149, rettete Aimerich durch geschicktes Taktieren die Stadt vor der Eroberung durch Nureddin. Für Fürstin Konstanze und ihre vier Kinder, von denen das älteste, Boemund, fünf Jahre alt war, führte Aimerich die Regierung. 1153 heiratete Konstanze, inzwischen 25/26-jährig, den Emporkömmling Rainald von Chatillon, erst seit 1151 im Heiligen Land. Als Aimerich sich weigerte, ihm Gelder aus seinem inzwischen riesigen Vermögen auszuhändigen, ließ Rainald ihn einkerkern, den Kopf blutig schlagen, die Wunden mit Honig bestreichen und den Patriarchen einen Tag lang angekettet auf dem Dach der Zitadelle den Insekten ausliefern. Aimerich zahlte und wurde, geleitet vom Kanzler von Jerusalem und dem Bischof von Akkon, nach Jerusalem ins sichere Exil gebracht. Im Herbst 1158 war er es, der die Hochzeit von Balduin III., König von Jerusalem, mit Theodora, der 13-jährigen Nichte von Manuel I. Komnenos, zelebrierte, da der neue Patriarch von Jerusalem, Amalrich, vom Papst noch nicht bestätigt war. Als Kaiser Manuel mit einem großen Heer anrückte, schrieb ihm Aimerich, er möge Rainald absetzen und in Ketten legen lassen und ihn selbst restituieren. Aber Rainald rettete sich und seine Fürstenkrone durch Unterwerfung, und nach einer offiziellen Aussöhnung mit ihm bekam Aimerich seinen Sitz zurück. 1160 geriet Rainald für 16 Jahre in Gefangenschaft von Madscheddin, dem Emir von Halab (Aleppo). Während Konstanze sich nunmehr als allein regierende Fürstin sah, bestürmten die Antiochener König Balduin, Ihnen einen Herren zu bestimmen. Balduin kam nach Antiochia und setzte Konstanzes ältesten Sohn, Boemund III., "den Stammler", damals 15-jährig, als Fürsten ein, mit Aimerich als Vormund und Balduin von Jerusalem als Prinzregenten bis zu Boemunds Volljährigkeit. Konstanze beschwerte sich unverzüglich bei Kaiser Manuel. Dieser heiratete in zweiter Ehe 1160 Maria, die älteste Tochter von Konstanze, die als Xene Kaiserin wurde. Die Trauung wurde unter anderem vom griechischen Titular-Patriarchen von Antiochia, Athanasios II., vollzogen, der in Konstantinopel residierte. 1164 geriet Boemund in der Schlacht von Artah in Gefangenschaft Nureddins. Dieser ließ ihn gegen ein enormes Lösegeld frei. Diese Summe erhielt Boemund von seinem kaiserlichen Onkel Manuel; dafür musste er in Antiochia Athanasios II. als Patriarch einsetzen, und Aimerich ging ins Exil auf die Burg Qosair. Am 29. Juni 1170, am Namenstag von Petrus und Paulus, dem Patronatstag von Antiochia, wurde Syrien von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert (TIB XV 285). Als Athanasios gerade in Sankt Peter die Messe feierte, stürzte die Kirche über ihm zusammen. Die Antiochener verstanden die Katastrophe als Gottesurteil und holten Aimerich schleunigst aus seiner Burg zurück in die Stadt. Nach der vernichtenden Niederlage der Truppen des Königreichs Jerusalem an den Hörnern von Hittin, am 4. Juli 1187, schrieb Aimerich einen Brief an Heinrich II., König von England, und flehte ihn an, mit einem Kreuzzug das Heilige Land für die Christenheit zu retten. Heinrich beeilte sich, den "Saladin-Zehnten" erheben zu lassen und schrieb an Aimerich, dass in Kürze Hilfe eintreffen würde. Aimerich erlebte das traurige Ende des so machtvoll begonnenen III. Kreuzzuges. Der Leichnam des am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph ertrunkenen Anführers, Kaiser Friedrich I. Barbarossa, wurde von weitergezogenen Kreuzfahrern nach Antiochia gebracht und im dortigen Dom beigesetzt, worauf die meisten Kreuzfahrer desillusioniert die Heimreise antraten. Aimerichs Todesjahr war wohl 1193 (Runciman 501ff, 521-527, 539, 626f, 633, 635, 651f, 655, 658f, 663ff, 674, 692, 730, 777f, 863; Schlumberger, l'Orient latin 86; Spink 132, 1999, 22 zu x152; B. Hamilton, Aimery of Limoges, latin patriarch of Antioch (c. 1142 - c. 1196) and the unity of the churches, K. N. Ciggaar / H. G. B. Teule, East and west in the crusader states, Leuven 1999, 1-12).
Nach der Eroberung von Antiochia durch Sultan Baibars, am 18. Mai 1268 (TIB XV 278), wurde der Titel des lateinischen Patriarchen nur noch titular verliehen. Seitdem residierte der Patriarch von Antiochia in Rom; seine Kirche war eine der vier Patriarchalkirchen, Santa Maria Maggiore (die drei anderen waren die Sitze der lateinischen Titular-Patriarchen von Jerusalem, Konstantinopel und Alexandria). Der Sitz war seit 1953 vakant. 1964 schaffte Papst Paul VI. als Leiter des II. Vatikanischen Konzils, in Übereinkunft mit Athenagoras, dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel, die lateinischen Titular-Patriarchate von Antiochia wie von Alexandria und Konstantinopel ab.
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